Pressestimmen

Tanztheater im Stephanuswerk

Eine brillante Sonate fürs Auge

Über 100 Besucher hat das Theaterprojekt "Nave Blubbus Nautilus" der VH Ulm am vergangenen Samstag im Großen Saal des Stephanuswerks auf eine lohnende Reise geschickt.

Nave Blubbus
Begonnen hat der Abend  - wie bei einer Sonate nicht anders zu erwarten – mit der Exposition, also der Vorstellung des Themas. Und bereits hier standen Inszenierung, Licht und Ton in überwältigender Fülle vor dem Publikum. Aus einem wogenden Meer stiegen die skurrilsten Figuren ans halbdunkle Tageslicht, beinahe versunken in Zeit und Raum, scheinbar losgelöst von äußeren Zwängen und dennoch ungemein harmonisch in ihren Bewegungen. Schnell stellte sich durch eindringliche Klangteppiche im Saal eine einzigartige Atmosphäre dieser mystischen Welt ein, die Viz van Kremietz mit Hilfe nicht gerade alltäglicher Instrumente live in den Äther zauberte. Und so wurde der interessierte Betrachter bald Zeuge einer Fischgeburt mit anschließender Metamorphose des Fisches zum wahren Ich (nämlich dem eines Clowns).

Projektleiterin Margherita Scaturati besticht in ihrer Inszenierung durch Prägnanz und beschwingte Kurzweiligkeit. Gelungen ist ihr auch, die Teilnehmer dieses einjährigen Tanztheater-Kurses zu einem Ensemble zusammenzufügen, in welchem sich ein jeder mit seinen spezifischen Fähigkeiten wiederfindet. Gibt man sich als Zuschauer gerade einmal einer Szene hin, wartet Scaturati im rechten Augenblick immer wieder mit einer Überraschung auf, die das Publikum sofort in ihren Bann zu ziehen vermag. So auch etwa der Abstieg eines Tiefseetauchers, der an einem langen Seil von der Bühnendecke herabgleitet.

Nave Blubbus

Mittlerweile war die Durchführung (der 2. Teil der Sonate) natürlich voll im Gange. In einer tiefen Grotte angekommen und seines Rettungsseils beraubt, wartete der Traumtaucher (alias Falko Jahn) mit einer exponierten Solodarbietung auf, die in ein eindrucksvolles und gefühlsbetontes Duett einfloss. Überhaupt wurde man mit einer Fülle menschlicher Charaktereigenschaften konfrontiert, als da wären Haß, Neid, Machtgier, Arglist und dergleichen mehr. Einzig der Clown war dem Besucher so richtig sympathisch – verkörperte er doch kindliche Freude, uneingeschränktes Vertrauen und stets eine positive Einstellung gegenüber seiner Umwelt (überzeugend in seiner Mimik Dieter Roth). Dennoch wurde er zumeist enttäuscht oder betrogen und wurden all seine Spuren stets von Wellen fein säuberlich weggespült.

Insgesamt war es eine gute Ensembleleistung, die mit Hilfe des Lichts von Ralf Schreier einen 90-minütigen Einblick in menschliche Ab- und Hintergründe vermitteln konnte. Die Stimmungslagen beim Publikum schwankten von leicht amüsiert bis hin zu tief betroffen – und das ist es, was den Reiz dieses Stücks ausmacht.

Mit der Reprise entstand auf der Bühne eine wunderschöne Schlusseinstellung, die jeden ungemein ruhig nach Hause gehen ließ. Alle Geschöpfe dieses Abends tauchten wieder ein in ein wogendes Meer – wer weiß, vielleicht um aus anderen Fluten neu geboren zu werden. Nimmt man den lang anhaltenden Applaus als Meßlatte, so werden diese Fluten wohl schon bald wieder auf uns zurollen.

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